Buchtipp: Geht alles gar nicht: Warum wir Kinder, Liebe und Karriere nicht vereinbaren können

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Geht alles gar nicht: Warum wir Kinder, Liebe und Karriere nicht vereinbaren können

von Marc Brost und Heinrich Wefing

 

„Die Gründung einer Familie ist vielleicht das größte Abenteuer, das wir erleben können.“

Ein gutes Buch, ein ehrliches Buch – und ein Buch aus Männersicht (mit Tendenz zum gesamtfamiliären, gesellschaftlichen und gesamtwirtschaftlichen Kosmos). Meine Buchbesprechung ist viel länger geworden als geplant; einfach, weil ich so viel gefunden habe, was interessant, erstaunlich oder einfach wahr war. Ich bin bei vielen Dingen mitgegangen, denn gleich ob Mutter oder Vater, jeder, der in seiner Rolle in der Familie nicht als Statist enden möchte, scheint – mit dem Job und dem „Nebenbei“ im Dauerspagat zu leben.

Also, was tun, wenn mal wieder das Chaos tobt? Die tollen Ratgeber sind teilweise hilfreich, doch selten dauerhaft eine Lösung für das vielbeschworene „Work-Life-Balance“ Problem.
Der Text setzt sich kritisch mit vielen Fragen auseinander: Hypertasking ist wohl auch keine Lösung, von Eizellen Einfrieren und „Vereinbarkeitslügnern und –lügnerinnen“ mal ganz abgesehen …

Und wie leben wir heute als Eltern?
„Wir schlafen weniger.

Wir essen schneller.

Wir laufen hektischer durch die Innenstädte.

Wir arbeiten mehr.

Und lieben weniger.

Alles miteinander vereinbaren zu wollen bedeutet eine jahrelange, permanente Selbstüberforderung.“

Wie (auch) die Partnerschaft aufrechterhalten? Viele Männer kennen die Situation:
„Wir wollen unseren Partnerinnen Freiräume für ihre Karriere schaffen, wollen ihnen

den Rücken stärken, wenn es bei ihnen im Job brennt. Und wollen mit ihnen lachen an der Kasse im Supermarkt.

Und dann? Hatten wir schon wieder keine Zeit.“

Die Autoren fragen: Wo ist noch Raum für die Sehnsucht?

Die Antwort: „Capitalism kills love.”
Zumindest in der “Rushhour” des Lebens.
„Wir müssen den ganzen Tag rumrennen, funktionieren, kommunizieren. Nie gibt es eine Gelegenheit zum Atemholen, ständig müssen wir ansprechbar sein, wir müssen präsentieren, reagieren, Ernsthaftigkeit beweisen. Verständnis zeigen. Geduld üben. Zuhören.“

Wo bleibt Zeit, um in den Himmel oder mal gegen die Wand zu schauen, mal durchzuatmen und einfach zu sich selbst zu kommen? Noch früher aufstehen für Yoga und co? Gesünder ernähren? Der Alltag ist einfach eine Herausforderung mit Kind( und Job) –jeden Tag auf’s Neue; er ist wundervoll, aber eben auch anstrengend, scheinbar nie endend und ständig weitere Hindernisse bereithaltend.

Da helfen auch die besten Vorsätze nicht.

„Was man sich alles vornimmt … Es passiert einfach, die Dinge rutschen weg, werden vom Alltag weggespült. Geraten nach und nach in Vergessenheit.“

Die Autoren haben dieses Buch nicht ganz allein geschrieben, viele Interviewpartner erzählen ihre Geschichten. Manche verabschieden sich von ihren Träumen oder überlegen, wie „glücklich geht“, müssen noch zusätzlich ihre eigenen Eltern pflegen, oder sehen sich in Schichtarbeit manchmal kaum mehr …
„Dann gibt es Geschichten über Schlafmangel und Migräne und Bandscheibenvorfälle. Und noch Schlimmeres. Dann erfährt man, dass es keine Familie gibt, die nicht fast permanent am Rande des Wahnsinns operiert.“
Das Buch will vor allem zum Dialog, zum Nachdenken anregen. Es zeigt Missstände auf – jenseits vom „Jammern auf hohem Niveau“. Es geht nicht um einen Wettbewerb der „Benachteiligten“.
Der Text solidarisiert. Und die Erkenntnis, anderen geht es kann genauso, kann zumindest temporär trösten/ helfen …

Die Kernfrage: GELD oder ZEIT ..—– Wie kann man Leben gestalten? Was sind die Herausforderungen für unsere Generationen?
Die Politik tut wenig oder z.Z. sogar Falsches/ Kontraproduktives? Und unsere europäischen Nachbarländer? Haben auch keine Patentlösungen!

Es geht hier nicht nur um selbstgemachten Stress, auch um Globalisierung, Digitalisierung und gesellschaftliche Veränderungen. Neue Rollenmuster, Verschuldung und das Eindringen der Arbeitswelt ins Private sind wichtige Aspekte – vielleicht muss die heutige Elterngeneration Pionierarbeit leisten.

„Mehr als zwei Millionen Mütter in Deutschland gelten als kurbedürftig. Die meisten davon sind Alleinerziehende.“

Irgendwas läuft also gründlich schief. Sind wir selber Schuld?

„Wir dürften die Schuld für das, was uns passiert ist, nicht immer nur bei uns suchen und auch nicht immer nur bei anderen.“

Zeitmangel und Überforderung sind in diesem Zusammenhang Schlüsselbegriffe.

“Capitalism kills time.”
Wo bleibt unsere Zeit?

„In den vergangenen zehn Jahren ist die durchschnittliche Arbeitszeit für Vollzeitbeschäftigte in Deutschland kontinuierlich gestiegen, sie liegt inzwischen bei 42,8 Stunden. In keinem anderen Land der Europäischen Union ist die Diskrepanz

zwischen den tatsächlichen Arbeitsstunden und der Arbeitszeit, die im Tarifvertrag steht, größer als bei uns.

„Wie aber reagiert die Wirtschaft auf solche Zahlen?

Gar nicht. Es hakt am Willen und am Geld.“
Schade, es gäbe viele Möglichkeiten, zu optimieren. Optionen, auch die Konkurrenz zwischen Angestellten mit und ohne Kindern zu eliminieren.

Und zum Schluss?

Fakt ist:
„Nur jeder fünfte Deutsche bezeichnet das Land als kinderfreundlich. So unzufrieden sind Mütter und Väter nirgendwo sonst in Europa.

Versäumnisse der Politik, die Qualität der Krippenbetreuung durch Personalmangel,
Deutschland lässt seine Problemkinder allein.“

Die Rente ist unsicher, der Job, die Liebe. Was bleibt?
Vorschläge der Autoren: „Wahrscheinlich braucht es eine staatliche Grundsicherung für Kinder.

Wahrscheinlich braucht es eine fundamentale Veränderung von Berufsbiographien und Lebenswegen.

Wahrscheinlich braucht es eine gewaltige Kampagne dafür, Kinder nicht immer später zu bekommen, sondern früher. Am besten während des Studiums. Der Staat

müsste sich das etwas kosten lassen.

Und wahrscheinlich muss sich die Politik endlich an das Lohngefälle zwischen Männern und Frauen heranwagen.

Denn das ist in Deutschland so groß wie in keiner anderen westlichen Industrienation.“

 

Zusammengefasst, im Kontext betrachtet, wird dem Leser klar, wo die Missstände liegen. Wie sie zu beseitigen sind, wird keine leichte/ schnell zu lösende Aufgabe. Aber es gibt viele vielversprechende Ideen, denn so kann es nicht weitergehen.

Fazit:

„Ständig haben wir das Gefühl, alles nur hinzuschludern, nichts wirklich richtig zu machen, nie ganz bei der Sache zu sein. Nicht im Büro, nicht in unserer Beziehung

und auch nicht, wenn wir Zeit mit unseren Kindern verbringen.

Geht alles gar nicht.“

Also: Anders machen. Politik, Gesellschaft, Wirtschaft, der Einzelne ist gefragt.

 


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